/* Hide Tooltip */

Kompetenzzentrum Boden und regenerative Landnutzung

Am Hengstbacherhof betreibt die „Stiftung Lebensraum Mensch Boden Wasser Luft“ das „Kompetenzzentrum Boden und regenerative Landnutzung“. Im Rahmen dieser bisher bundesweit einzigartigen Einrichtung werden angewandte Forschung & Entwicklung, praktische Anwendung, Wissensaufbau, Wissenstransfer, Vernetzung und praxisorientierte Weiterbildung rund um die Themenkomplexe Boden und regenerative Landnutzung realisiert. Das Kompetenzzentrum bietet die Chance, die vorhandene und zukünftig entstehende Kompetenz auf diesen Gebieten zu bündeln und am Standort sowie an weiteren Orten in Form von Leuchtturmprojekten (Best-Practice-Projekten) mit anwendungsorientierten Lösungsansätzen zu demonstrieren und permanent weiterzuentwickeln. Dabei wird dem interaktiven Wissens- und Technologietransfer über Informationsveranstaltungen, Workshops, Seminare und Studien- bzw. ausbildungsbegleitende Praktika ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Das Zielpublikum des Kompetenzzentrums setzt sich aus Landwirt*innen, Gärtner*innen, sonstigen Praktiker*innen, Studierenden, Wissenschaftler*innen, Unternehmen, Kommunen, Behörden, Politik und allen anderen Multiplikatoren bzw. Entscheidungsträgern aus dem Themenkomplex zusammen.

Warum ein Kompetenzzentrum Boden und regenerative Landnutzung?

Rolle des Bodens

Verursacht durch intensive Forst- und Landwirtschaft, Klimawandel, Dürre- und Starkregenereignisse haben wir weltweit bereits über 15 % der Nutzböden verloren. Jährlich kommen weitere 10 Millionen Hektar Ackerland hinzu. Über ein Drittel der globalen Landwirtschaftsflächen befindet sich in einen schlechten bis dramatischen Zustand. 75 % der weltweiten Böden sind geschädigt. „Der Boden ist ein entscheidendes Bindeglied zwischen globalen Umwelt-Problemen wie Klimawandel, Wasserwirtschaft und dem Verlust der biologischen Vielfalt“. Dieses Zitat des Präsidenten der „Europäischen Gesellschaft für den Schutz des Bodens“ Herrn Prof. José Luis Rubio macht deutlich, welche Bedeutung dem Boden neben den bekannten Eigenschaften z.B. zur Bereitstellung unserer Lebensmittel beigemessen wird. Boden ist eine äußerst wertvolle Ressource, die essenzielle Funktionen für die Umwelt und die Wirtschaft erfüllt, indem sie ein voll¬ständiges Ökosystem in mikroskopischem Maßstab darstellt. Die organische Bodensubstanz leistet dabei einen essenziellen Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffspeicherung, Wasserrückhaltung, Verminderung von Verdunstung, Verminderung von Bodenverdichtung und ist zudem Lebensraum für eine Vielzahl von Bodenorganismen, welche die Umwandlung von Pflanzenrückständen ermöglichen. Bisher noch viel zu wenig beachtet ist die entscheidende Rolle, die der organi¬sche Anteil im Boden – allgemein als „Humus“ bezeichnet – als riesiger natürlicher Kohlenstoffspeicher beim Klimawandel spielt. Böden binden doppelt so viel organischen Kohlenstoff wie die gesamte Vegetation auf der Erde. Die Böden in der EU enthalten beispielsweise über 70 Milliarden Tonnen organischen Kohlenstoffs, was ca. 7 % des globalen Kohlenstoffhaushalts entspricht. Im Jahr 2018 wurden weltweit 43 Gigatonnen CO2 durch Treibhausgase und den Verbrauch fossiler Energieträger und Rohstoffe ausgestoßen. Ein nicht unerheblicher Anteil davon stammt aus den landwirtschaftlichen Böden.
Mit der vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen „Bodenzustandserhebung Landwirtschaft“ hat das Thünen-Institut im November 2018 erstmalig eine umfassende und repräsentative Inventur der organischen Kohlenstoffvorräte in den landwirtschaftlich genutzten Böden Deutschlands vorgelegt. Insgesamt sind hier über 2,6 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Damit wird die große Bedeutung der Agrarböden für den Klimaschutz hervorgehoben. Bei der genaueren Betrachtung zeigt die Bodenzustandserhebung jedoch auch eine bedenkliche Entwicklung: Trotz Cross-Compliance Bestimmungen (Erhaltung des Anteils der organischen Substanz im Boden, GLÖZ 6) und der Greening-Prämie im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP), sowie durch verschiedene GAK bzw. ELER-Maßnahmen gefördert zeigen die Monitoring-Ergebnisse, dass es in den letzten zwei Dekaden in Deutschland zu keiner Steigerung des Humusanteils in landwirtschaftlich genutzten Böden gekommen ist. Ganz im Gegenteil wurde auf den Ackerflächen sogar ein Humusabbau festgestellt, während in Grünlandböden der Humusvorrat in etwa gleichgeblieben ist.
Experten gehen davon aus, dass bei einem „Weiter so wie bisher“ mit dem fortschreitenden Klimawandel z.B. durch häufigere Dürreperioden oder zunehmenden Starkregenereignissen die Humusgehalte in den landwirtschaftlichen Nutzböden weiter dramatisch abnehmen werden, wenn hier nicht aktiv gegengesteuert wird. „Mit dem Humus geht unseren Böden Fruchtbarkeit und auch Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der Klimakrise verloren“, sagt Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und erinnert an die hinter uns liegenden Dürrejahre. Ein echter Teufelskreis. Die Landwirtschaft schadet sich selbst, wenn sie humusschädigend arbeitet. Die Böden können weniger Wasser aufnehmen und speichern.“ Schlimmer noch: Der Kohlenstoff, der im Humus gespeichert ist, entweiche beim Humusabbau als Treibhausgas CO2 in die Atmosphäre. Das heize dem Klimawandel weiter ein, so Löwenstein.

Rolle der Landnutzung

Als Landnutzung wird die Inanspruchnahme von Landflächen und Böden durch den Menschen verstanden. Weltweit existieren nur noch wenige, von Menschen unangetastete Gebiete, welche sozusagen keiner „Landnutzung“ unterliegen. Selbst ein Großteil der Waldgebiete wird von Menschen kultiviert bzw. durch Waldbau in seinen natürlichen Eigenschaften verändert. Sogar Teile des Amazonas-Regenwaldes, von denen man bisher glaubte, dass sie von menschlichen Eingriffen vollkommen unberührt seien, waren zur Blütezeit einer Indio-Hochkultur über mehrere tausend Jahre hinweg regelrechte Kulturlandschaften mit großen Städten und Dörfern. Heute zeugen gewaltige sogenannte Geoglyphen, also große in den Boden eingearbeitete Gebilde und die fruchtbare, anthropogene “Terra Preta do Indio“, also ein durch Landnutzung völlig veränderter Boden, von dieser besonders einzigartigen Hochkultur. Historisch betrachtet haben Menschen bereits seit der Steinzeit in die natürlichen Systeme eingegriffen. Allerdings hatten diese Veränderungen keine nennenswerten Auswirkungen, weil die Steinzeitmenschen als Jäger und Sammler viel mehr ein Teil der Natur waren als die späteren Hochkulturen. Erst in der Jungsteinzeit, als sich Menschen sesshaft machten und dem Anbau von Nahrungsmitteln widmeten, wurden Böden, Pflanzen und Tiere verändert. Beispielsweise betrieben die sogenannten „Bandkeramiker“ im Neolythikum vor rund 7.000 Jahren in Mitteleuropa bereits eine hoch entwickelte Bodenbewirtschaftung und Viehhaltung. Die Böden, auf denen heute die Überreste bandkeramischer Siedlungen gefunden werden, zeichnen sich sehr häufig durch eine überdurchschnittliche Fruchtbarkeit aus. Dies liegt nicht nur daran, dass sich die damaligen Bauern gezielt auf Lössböden, also vergleichsweise fruchtbaren Standorten niederließen, sondern auch daran, dass sie ihre Böden durch ein ausgeklügeltes Kreislaufwirtschaftssystem mit organischen Siedlungsabfällen, tierischen Exkrementen und sogar Holzkohle aufgebessert haben. Viele dieser Standorte sind heute als sehr fruchtbare, sogenannte anthropogene Schwarzerden einzustufen. Sämtliche Eingriffe des Menschen in die Landschaften der Erde, also Landnutzungsänderungen, führen zu mehr oder weniger großen Veränderungen der natürlichen Flora und Fauna, des Wasserhaushalts, des Bodens, des Wetters und des Klimas. Dabei fallen die Auswirkungen menschlicher Eingriffe sehr unterschiedlich aus. Während beispielsweise eine extensive Wald- und Weidewirtschaft die natürlichen Ökosysteme nur geringfügig beeinflusst, sind die Auswirkungen einer intensiven, industriellen Forst- und Landwirtschaft oft verheerend. Mindestens genauso verheerend wirkt sich die wachsende Ausdehnung von urbanen Räumen, Industriegebieten oder die Abbaustätten fossiler Rohstoffe auf natürliche Ökosysteme aus. Die fortschreitenden Landnutzungsänderungen haben weltweit bereits zu gravierenden Veränderungen der Ökosysteme geführt, wie beispielsweise Artenverluste und Umweltbelastungen. Aktuell wird immer deutlicher, dass wir mit diesen Eingriffen auch das weltweite Klima stark beeinflussen.

Klimagase sind nicht alleinige Ursache für Erderwärmung und Klimawandel!

Die Abholzung von Wäldern, die Trockenlegung von Mooren und Feuchtgebieten, die intensive Agrarwirtschaft und die fortschreitende Bodenversiegelung tragen noch in einer anderen Weise zum Klimawandel bei. Über sogenannte biogeophysikalische Effekte, also die Beeinflussung von Energie-, Wasser- und Impulsaustausch durch die beschriebenen Landnutzungsänderungen, wird eine zunehmende Erwärmung der Erdoberfläche erzeugt, weil natürliche Kühlungseffekte unterbrochen werden.
Somit müssen wir im Kampf gegen den Klimawandel nicht nur eine drastische Reduzierung von Treibhausgasen erreichen, sondern wir müssen mindestens mit der gleichen Vehemenz eine weitere Abholzung von Wäldern, eine weitere Ausbreitung der Boden- und artenzerstörenden Industrielandschaft sowie eine weitere Versiegelung der Böden aufgrund wachsender Städte und Verkehrswege stoppen.
„Was sind die konkreten Gefahren? Die Flächen mit extremen Temperaturen nehmen zu und die der gemäßigten, lebensfreundlichen nehmen ab. Dadurch werden die Flächen, auf denen wir unsere wichtigste Lebenssubsistenz, die Nahrungsmittel, erzeugen, zunehmend unfruchtbar.
Eine weitere Folge der fortschreitenden Landnutzungsänderungen werden zunehmende Fluchtbewegungen und Abwanderungen der Bevölkerung aus den betroffenen Gebieten sein, weil deren Lebensgrundlage durch Wassermangel, Bodenzerstörung, Hitzewellen und Überschwemmungen zerstört wird. Immer mehr Menschen werden aus den ländlichen Regionen, wo sie seit Generationen ihre Lebensgrundlage und Heimat hatten, in die urbanen Zentren abwandern, wo heute schon die Infrastruktursysteme überlastet sind.

Bedeutung einer regenerativen Boden- und Landnutzung für Klima und Umwelt

Laut Weltagrarbericht ist die Landwirtschaft sowohl Verursacherin als auch Betroffene der Klimakrise. Die Entwicklung und schnellstmögliche Umsetzung von Maßnahmen und Strategien zur Reduzierung der Risiken durch den Klimawandel wird für die Landwirtschaft überlebensnotwendig sein. Landwirtschaftliche Systeme müssen zukünftig gegenüber Dürren und Starkregenfällen sowie auch gegen steigenden Schädlingsdruck resilienter werden. Auf der anderen Seite besitzt die Landwirtschaft ein gewaltiges Potenzial, den Klimawandel aktiv zu begrenzen und damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu leisten!
Der jüngste Bericht des Weltklimarates IPCC stellt klar: Wenn die Erderhitzung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll, müssen in diesem Jahrhundert mehrere Hundert Gigatonnen des Treibhausgases CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Die Anreicherung von Kohlenstoff in Form von Humus gehört zu den wenigen Klimaschutzmaßnahmen, die nicht nur Emissionen vermeiden, sondern diese sogar rückgängig machen können (negative emission technology). So geht das Umweltprogramm der UN davon aus, dass durch humusmehrende Bewirtschaftungsmethoden jedes Jahr bis zu 4.8 Gt CO2e weltweit gespeichert werden können. Darüber hinaus erhöht Humusaufbau die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft gegenüber den Folgen des Klimawandels. Sie wirkt sich positiv auf die Biodiversität im Boden, auf die Wasserspeicherkapazitäten und damit auf den Hochwasserschutz sowie auf die Ertragsstabilität aus. Weitere wirksame Maßnahmen zur aktiven Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre sind die Wiedervernässung von Mooren und Feuchtgebieten sowie die Wiederaufforstung von Wäldern und Kulturlandschaften. Vielversprechend ist in diesem Zusammenhang auch die Kombination von Landwirtschaft und Waldwirtschaft, welche in sogenannten Agroforstsystemen bereits im besonderen Maße zur Umsetzung kommt. Agroforstsysteme fördern Biodiversität, Mikroklima, Wind- und Erosionsschutz und Humusaufbau. Zudem tragen sie aktiv zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre und zur Kühlung der Kulturlandschaften bei, was im doppelten Maße ein Beitrag zum Klimaschutz ist.

Zielsetzung des Kompetenzzentrums Boden und regenerative Landnutzung

Das Kompetenzzentrum vermittelt Boden- und Landnutzer*innen, wie z.B. Landwirtschaft, Gartenbau, Weinbau, Obst- und Beerenbau, Garten- und Landschaftsbau und Forstwirtschaft über Infoveranstaltungen, Schulungen, Praxisseminare, Betriebsberatung usw. qualifiziertes, praxisnahes Wissen für einen nachhaltigeren Umgang mit dem Boden und den natürlichen Ressourcen im Sinne einer regenerativen Landnutzung. Damit die Landwirtschaft zukünftig Klima-resilienter und zugleich Teil der Lösung der Klimakrise werden kann, sollten Landwirtschaft und Landnutzung zukünftig aktiven Humusaufbau betreiben. Das Kompetenzzentrum wird sie auf diesem Weg fachkundig und praxisnah begleiten. Über die Einführung von „freiwilligen regionalen Humuszertifikaten“ durch die Stiftung Lebensraum werden Humus-aufbauende Bodennutzer*innen monetär belohnt, weil sie einen wesentlichen, gesamtgesellschaftlichen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise leisten. Weitere Aspekte für die Umsetzung einer regenerativen Landnutzung werden im Kompetenzzentrum aufbereitet und den Akteuren über Informationsveranstaltungen und Schulungen praxisnah zugänglich gemacht.

Aufgaben Kompetenzzentrum

  • Kompetenzaufbau in den Themenfeldern Boden und regenerative Landnutzung
  • Vermittlung dieser Kompetenz an Akteure aus allen Branchen der Landwirtschaft und Landnutzung mit dem Ziel eines wirksamen Klima-, Umwelt und Ressourcenschutzes bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung und Verbesserung der betrieblichen und regionalen Wertschöpfung
  • Vernetzung, Kompetenzaustausch und Kooperation mit wissenschaftlichen und wissensvermittelnden Institutionen

Forschung und Entwicklung, fachlich-wissenschaftliche Begleitung

Eine wichtige Säule des Kompetenzzentrums ist eigene Forschung & Entwicklung sowie die fachlich-wissenschaftliche Organisation und Begleitung der laufenden Bildungs- und praktischen Umsetzungsprojekte. In diesen Bereich fällt auch die Einrichtung und Pflege einer Datenbank für Fachthemen des Kompetenzzentrums sowie die Vernetzung und Kommunikation mit anderen Institutionen und Einrichtungen z.B. Universitäten, Forschungsanstalten und Beratungsdiensten.

Veranstaltungen

Das Veranstaltungsprogramm des Kompetenzzentrums wird ständig erweitert und aktualisiert. Aktuelle Veranstaltungstermine und -hinweise finden Sie bald hier.